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Rentenpaket blockiert: Junge Union mit Ökonomen gegen Regierung – Koalition am Kippen

Veröffentlicht von Lukas Schattenberg    An 23 Nov 2025    Kommentare(0)
Rentenpaket blockiert: Junge Union mit Ökonomen gegen Regierung – Koalition am Kippen

Am 23. November 2025 stand das deutsche Rentensystem vor einem beispiellosen Bruch: Junge Union, die Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, blockierte mit 18 von 19 Abgeordneten das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition – und bekam dafür unerwartete Unterstützung von Top-Ökonomen. Die Folge? Die Regierung steht vor einem politischen Abgrund. Kein Gesetz, keine Mehrheit, keine Zukunftssicherung für Millionen. Und die Jungen, die eigentlich die Zukunft tragen sollen, fühlen sich betrogen.

Was genau blockiert die Junge Union?

Die Junge Union lehnt nicht die Mütterrente ab – die sie sogar als "aus Gerechtigkeitsgründen richtig" bezeichnet. Nein, es geht um die Haltelinie: Die Regierung will das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns stabil halten. Für die jungen Abgeordneten ist das ein Deal mit dem Teufel. "Wir zahlen jetzt, aber kriegen später nichts mehr", sagt ein Mitglied der Gruppe, das anonym bleiben möchte. "Wenn ich mit 25 anfange, 45 Jahre einzuzahlen – und dann mit 67 in Rente gehe – ist das Niveau 2070 kaum noch halb so hoch wie heute. Das ist kein Solidaritätsprinzip. Das ist Betrug." Ihre Argumente klingen hart, aber sie sind statistisch fundiert. Die Rentenversicherung hat heute etwa 32 Millionen Beitragszahler – aber knapp 22 Millionen Rentner. Bis 2040 wird die Zahl der Rentner um 1,5 Millionen steigen, während die Zahl der Erwerbstätigen stagniert. Wer jetzt die Haltelinie festklopft, muss später mit deutlich höheren Beiträgen oder niedrigeren Leistungen zahlen. Und das, so die Junge Union, wird vor allem die Jungen treffen – die heute schon mit steigenden Mieten, geringen Löhnen und unsicheren Jobs kämpfen.

Ökonomen sagen: Weg mit dem Paket

Was die Junge Union allein nicht könnte, geschah am 23. November: Top-Ökonomen aus Berlin, München und Bonn veröffentlichten eine gemeinsame Stellungnahme – und forderten den vollständigen Rückzug des Rentenpakets. Unter ihnen: Prof. Dr. Claudia Winkler von der Hertie School, die seit Jahren die Alterssicherung reformiert, und Dr. Martin Hagen, ehemaliger Leiter des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. "Ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 ist eine Zeitbombe", sagte Hagen im Handelsblatt. "Es verhindert strukturelle Anpassungen – und schiebt die Kosten auf die nächste Generation. Das ist keine Solidarität. Das ist Verantwortungslosigkeit." Diese Stimmen haben Gewicht. Denn sie kommen nicht von irgendwo – sie sind parteiunabhängig, wissenschaftlich fundiert und haben in der Vergangenheit sowohl SPD- als auch CDU-Regierungen beraten. Ihre Unterstützung verwandelt die Junge Union von einer rebellischen Fraktion in eine moralische Instanz – mit realer politischer Macht.

Die SPD: "Wir haben zugestimmt!"

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender und zentraler Verhandler, reagierte mit Entschlossenheit: "Die Union hat im Kabinett zugestimmt. Jetzt kann sie nicht einfach zurücktreten." Doch das ist das Problem: Die Koalition ist kein einheitlicher Block. Im Kabinett sitzen Minister – im Bundestag sitzen Abgeordnete. Und die Junge Union ist kein Teil der Ministerriege. Sie ist ein innerparteiliches Netzwerk, das mit 19 Stimmen die Mehrheit der Union in der Bundestagsfraktion blockieren kann. Ohne sie: keine Zustimmung. Kein Gesetz.

Gleichzeitig schlagen junge SPD-Abgeordnete zurück. In einem offenen Brief nennen sie die Junge Union "Etikettenschwindel". "Ihr unterstützt die Mütterrente, die wir mitfinanzieren – aber ihr weigert euch, die Grundlage dafür zu sichern. Ihr wollt Rente, aber nicht zahlen. Das ist kein Prinzip. Das ist Egoismus." Die Antwort der Jungen Union? "Wir zahlen. Aber wir wollen wissen, wie es danach weitergeht."

Die Mütterrente – ein falscher Kompromiss?

CSU-Chef Markus Söder verteidigt die Mütterrente als "herzliche Geste der Solidarität". Doch die Junge Union fragt: Warum zahlen wir Milliarden für eine Maßnahme, die nur 2,1 Millionen Frauen betrifft – und ignorieren dabei das System, das das ganze Rentenmodell instabil macht? Die Aktivrente, die Selbstständige benachteiligt? Die Frühstart-Rente, die vor allem in ostdeutschen Regionen genutzt wird – aber kaum nachhaltig ist? Diese Punkte bleiben unangetastet. Und das macht die Blockade nicht nur politisch, sondern auch ethisch nachvollziehbar.

Was kommt als Nächstes? Die Rentenkommission

Als Kompromiss wurde eine Rentenkommission vereinbart – mit Mitgliedern aus Union, SPD, Wissenschaft und Gewerkschaften. Sie soll bis Ende 2026 einen Plan für die Zeit nach 2031 vorlegen. "Das ist der richtige Ort", sagt Annika Klose, junge SPD-Abgeordnete, im Interview mit phoenix. "Denn das Gesetz allein kann nicht alles lösen. Wir brauchen eine neue Philosophie." Doch die Junge Union will keine Absichtserklärung. Sie verlangt einen verbindlichen Beschluss: "Wenn das Rentenniveau nach 2031 nicht gesichert ist, dann muss die nächste Regierung verpflichtet werden, es über eine Reform zu stabilisieren – mit klaren, transparenten Mechanismen. Sonst ist das eine Lüge." Und die SPD? Sie fordert mehr Beitragszahler: Selbstständige, Beamt*innen, Abgeordnete – alle sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Und mehr Fachkräfte aus dem Ausland holen. Carola Reimann, wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD, sagt: "Wir können nicht weiter nur diejenigen belasten, die schon genug zahlen."

Die tiefe Kluft: Wer zahlt für wen?

Der Streit ist kein politischer, er ist moralisch. Die Junge Union argumentiert: "Arme Menschen sterben früher. Sie zahlen 40 Jahre ein – und bekommen 5 Jahre Rente. Reiche Rentner leben bis 90. Sie zahlen 40 Jahre ein – und bekommen 25 Jahre Rente. Ist das gerecht?" Die SPD antwortet: "Solidarität bedeutet, dass die Starken die Schwachen tragen. Und die Jungen tragen die Alten. Das ist der Kern unseres Systems." Beide haben recht. Und beide liegen falsch. Denn das System ist nicht mehr gerecht – es ist einfach nicht mehr tragbar.

Frequently Asked Questions

Warum blockiert die Junge Union das Rentenpaket, obwohl sie selbst in der Union sitzt?

Die Junge Union ist keine offizielle Fraktion, sondern eine eigenständige Nachwuchsorganisation mit eigener politischer Agenda. Ihre 19 Abgeordneten haben kein Fraktionszwang – sie können gegen die Linie ihrer Partei stimmen. Sie argumentieren, dass das Paket die junge Generation über Gebühr belastet, ohne langfristige Lösungen zu bieten. Ihre Blockade ist kein Verrat, sondern ein Akt der Verantwortung – für ihre Generation.

Was passiert, wenn das Rentenpaket scheitert?

Wenn das Gesetz nicht verabschiedet wird, bleibt das Rentenniveau nach 2031 rechtlich ungesichert – das könnte zu massiven Unsicherheiten bei Rentner*innen führen. Gleichzeitig würde die Koalition in der Bundestagsmehrheit kollabieren, da die Union ohne die Junge Union keine Stimmen mehr hätte. Ein Neuwahl-Szenario wäre wahrscheinlich – und damit ein politischer Neustart, der die Rentenreform noch weiter verzögert.

Warum unterstützen Ökonomen die Junge Union?

Top-Ökonomen wie Martin Hagen und Claudia Winkler sehen das Paket als kurzfristige politische Lösung, die strukturelle Probleme ignoriert. Sie warnen vor einer Schuldenlast für die nächste Generation und fordern eine umfassende Reform: höhere Beiträge von Selbstständigen, Anreize für längere Arbeitszeiten, digitale Arbeitsmodelle. Die Junge Union ist für sie der einzige politische Akteur, der diese Notwendigkeit laut und unbequem benennt.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Koalition zerbricht?

Sehr groß. Die Union hat im Bundestag nur 206 Sitze – und ohne die 19 Stimmen der Jungen Union fehlen ihr 9,5 Prozent der Stimmen. Die SPD hat 205 Sitze. Gemeinsam bräuchten sie 319 Stimmen. Ohne die Junge Union sind es nur 392 – also 12 Stimmen zu wenig. Ein Scheitern ist nicht nur möglich, es ist fast sicher, wenn kein Kompromiss bis Dezember gefunden wird.

Warum ist die Mütterrente nicht das Problem?

Die Mütterrente kostet etwa 3,2 Milliarden Euro pro Jahr – ein Betrag, der im Vergleich zum Gesamthaushalt der Rentenversicherung (über 300 Milliarden) relativ gering ist. Sie ist symbolisch wichtig, aber nicht systemisch kritisch. Die Junge Union akzeptiert sie – sie kritisiert die Finanzierung über die Beiträge der jungen Arbeitnehmer, die für eine veraltete Struktur zahlen, ohne davon zu profitieren.

Was kann die Rentenkommission wirklich erreichen?

Die Kommission kann keine Gesetze beschließen – aber sie kann einen politischen Konsens formulieren, der als Basis für ein neues Gesetz dient. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob sie konkrete, finanzierbare Lösungen vorschlägt – etwa eine automatische Anpassung des Rentenniveaus ab 2032, oder eine Erhöhung der Beiträge für Selbstständige. Ohne diese Klarheit bleibt sie ein schönes Papier – und die Junge Union wird weiter blockieren.